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Mittwoch, 24. Juli 2013
Vom Amulett zum Erinnerungsträger
Es gibt Neues und mein Artikel kam lobend aus dem Lektorat zurück.
Der "Heilige Geist" ist als Amulett zu erkennen, in dem mehrere Ebenen der heilbringenden christlichen, aber auch andersgläubigen Symbolik vereint sind. Nicht nur der Fisch, im Speziellen der Karpfen, die Knoche, die Darstellung als Taube, weil der "Heilige Geist Gottes wie eine Taube" hernieder kam, sondern auch die Form, in der eine Verschmelzung der in der Kunst zu findenden Heiliggeist-Darstellung zu erkennen ist - als Engel und als Taube - und schließlich die drehende, also in einem gewissen Sinne auch kreisende Bewegung des Objekts über dem Tisch, was eben auch die Stube zur Verkündigungsszene macht, sind die Symbole, die den "Heiligen Geist" so komplex machen.
Verpackt in einem Weihnachtsbrauch, der womöglich nicht NUR in Oberschlesien angewandt war. Weitere Berichte diesbezüglich bleiben aber zunächst noch im Verborgenen. In den Zwölften, den zwölf Nächten zwischen Weihnachten und Heilige Dreikönige, wird und wurde in der Vergangenheit mit einer umherziehenden Frauengestalt gerechnet, vor der es sich zu schützen galt. Doch wohl nur in dem Bewusstsein, sein Leben nicht ganz astrein zu führen, oder? Es handelt sich hierbei um Perchta, deren Name viele, regionalsprachlich abhängige Variationen hat. Perchta ist sowohl Glück, wie auch Leid Bringende. Glück für die Fleißigen, Leid für die, die sich nicht an Arbeitsverbote hielten, die vor Feier und Festtagen üblich sind und waren.
Es macht den "Heiligen Geist" zum Erinnerungsträger, zum Medium des Erzählens zwischen den Generationen, da gerade dieses singuläre Objekt bis in meine, in unsere Gegenwart existiert. Wieso wurde es denn so lange - über 40 Jahre - von seinem Besitzer aufbewahrt? Gab es noch mehr davon? Unsere Kommunikation, besonder diese, die zwischen unseren Großeltern, unseren Eltern, unseren Kindern und Kindeskindern stattfindet, benötigt nicht nur in Worte gefasste Erinnerungen, um das Erlebte und Gelernte zu vermitteln. Ein großer Aspekt ist dabei das objektorientierte Erinnern, wie wir es außerdem aus den Museen kennen. Hierbei dreht es sich aber nicht nur um das Erinnern, sondern besonders gegenwärtig, in den modernen Konzepten der Museen, um das begreifbare Vermitteln komplexer Zusammenhänge. In Familien wir aber oftmals nur erinnert. Es liegt in unserem Ermessen, die Erinnerung des Einzelnen als Bestandteil eines großen, komplexen Zusammenhangs zu erkennen. In dieser Hinsicht, dient auch der "Heilige Geist" als Objekt, das uns näher bringt, woran erinnert wird, wie erinnert wird und wie diese weitergegeben wird. Durch Bräuche, ritualisierte Handlungen, die familienspezifisch sein können und nicht immer, aber oftmals zeitgebunden sind, zieht sich der rote Faden durch die Familiengeschichte. Er kann verloren gehen. Er kann sich verändern. Immer wieder muss daher die Dynamik des Erinnerns erkannt werden. Geschichte und Erinnerung sind niemals statisch. Auch wenn Bräuche und in ein Brauchtum verstrickte Rituale dies "weiß" machen wollen. Mein "Heilige Geist" berichtet mir als Exemplum vom Erinnern und Erzählen zwischen den Generationen, was mit ihm alles Verbunden wurde. Die Erinnerung an eine geliebte Person, an eine verlorene Heimat, an eine Zeit, die so wertvoller und glücklicher war, als die Gegenwart, aber eben auch als darüber stehendes Objekt, das die Aussichtsplattform für die Gegenwärtige Generation ist, von der aus auf die Familiengeschichte geblickt werden kann.

Jedes Objekt hat seine Bedeutung. Nehmen Sie mal Ihren Schlüsselbund - oder besser noch - den Schlüsselbund eines Freundes oder einer Freundin oder eines Kollegen oder Kollegin und fragen Sie mal nach einem Schlüssel, den Sie sich ausgesucht haben. Oder nach dem Anhänger daran. Lassen Sie sich mal erzählen, was damit alles Verbunden wird. Sie werden nicht nur die Entwicklung eines Gesprächs beobachten, wenn sie immer wieder wortbringend nachfragen. Sie werden auch in eine Erinnerung, in eine Geschichte (history) eingeweiht.
Aber ist das alles, was das objektorientierte Erzählen im Petto hat?